Fünftausendsechshundertzweiundzwanzig mNO (Meter über normal Oedt)

Bis vor kurzem habe ich die Süchtelner Höhen noch für Berge gehalten, so kann man sich als gebürtiger Niderrheiner irren. Der „Pico de Orizaba“ ist mit seiner Höhe von 5652 m ungefähr 63 mal so hoch wie die Süchtelner Höhen und ist damit der höchste Berg Mexicos und der dritthöchste Nordamerikas.

Am Mittwoch erzählte mir ein Freund beim Bouldern das er am Wochenende den Citlaltepetl besteigen will. Chitlatepetl ist der Aztekische Name des Pico de Orizaba, und bedeutet Berg des Sterns. Spontan und ein bisschen Naiv schloss ich mich ihm an und entschied dieses lange Wochenende meinen ersten Gletscher zu begehen – Steigeisen habe ich ja schließlich schon mal im Harz an gehabt und überhaupt ist meine Kondition ja im Moment auch nicht so schlecht, das wirst du schon hin bekommen – so dachte ich.

Am Freitagnachmittag ging es los, der erste Zwischenstopp war Mexico City, wo wir die Nacht bei Paris Vater zu Hause verbrachten, Material einpackten und Paris Auto gegen einen Allradwagen seiner Cousine tauschten. Samstag ging es dann vorbei am Popocatépetl und am Iztaccíhuatl, dem zweit und dritthöchsten Berg Mexicos, Richtung Puebla und schließlich nach Tlalchichuca, dem letzten Dorf auf unserem Weg zum Fuße des Berges.

Der weitere Weg gestaltete sich als ein wenig beschwerlicher, denn erstens war hier der geliehene Geländewagen absolut notwendig und zweitens zerlegte sich dieser zunehmend in seine Einzelteile. Schon in Mexico wurde uns gesagt das die Hinteren bremsen eigentlich erneuert werden müssten, was das Metallische schleifen beim Bremsen auch bestätigte. Aber die Vorderen bremsen waren neu und das sollte ausreichen. Als wir nun das Auto den Staubigen und steinigen Weg zur Berghütte hoch quälten, erhitzte sich der Motor zunehmend und veranlasste uns zum anhalten. Nachdem der Motor abgekühlt war stellten wir fest, dass der Kühler kein Wasser mehr hatte. Mit einem grauen an die Bergbesteigung ohne Wasser denkend gossen wir unser Trinkwasser in den Kühler. Aber wenige Meter weiter standen wir erneut vor dem gleichen Problem, erst jetzt erkannten wir das Loch im Kühlergrill. Zum Glück kamen ein paar hilfsbereite Motorradfahrer vorbei, die uns ein wenig „Plasti loca“ (verrücktes Plastik), ein zwei-Komponenten-Kleber, schenkten, mit dem wir das Loch flicken konnten. Als wir nun den Kühler erneut mit Trinkwasser füllten, planten wir schon auf dem Gletscher Schnee zu schmelzen um genügend Trinkwasser zu haben. Nun trug uns der kleine Jeep aber ohne weitere Probleme zur Berghütte. Wo wir erfreut feststellten, das eine Gruppe von Bergsteigern, die schon dort war mehrere Kanister Wasser dabei hatten und uns erlaubten unsere Flaschen aufzufüllen.

Um ein Uhr morgens am Sonntag klingelt der Wecker, der Berg ruft. Aufstehen, Schlafsack einpacken, Ausrüstung zusammen raffen, schnell noch ein Foto vom Berg bei Nacht machen und los, alles läuft mehr oder wenig mechanisch ab. Wer kann um diese Uhrzeit schon klar denken. Mit Stirnlampen geht es nun den Berg hoch – langsam- immerhin sind wir schon 4260m hoch und die Luft ist dünn. In slow motion bewegen wir uns ein Geröllfeld hinauf. Unter dem klaren Sternenhimmel wirken die vielen Felsblöcke fast wie eine Phantasielandschaft. Wie sich Paris nur im Schein der Stirnlampe orientiert ist mir an vielen Stellen rätselhaft. Nach einiger Zeit kommen wir an eine Moräne, hier gilt es gut aufzupassen und nicht auf dem Eis auszurutschen. Wir schieben uns von Stein zu stein langsam in Richtung Gletscher. Dort angekommen endlich eine kleine Pause, ich fühle mich schon recht erschöpft, dabei haben wir hier gerade die Hälfte der Höhenmeter auf dem Weg zum Gipfel überwunden. Mit Steigeisen und Eispickel geht es nun weiter. Das Gelände ist sehr offen und man kann die Lampen der anderen Bergsteiger sehen, wie sie langsam dem Gipfel entgegen wackeln. Mit jedem Meter wird mein Tempo langsamer und meine Beine schwerer. Die Höhe macht mir zu schaffen, meine Finger sind eiskalt. Paris läuft ein wenig vor, ihm scheint das alles nichts auszumachen. In der Mitte des Gletschers geht endlich die Sonne auf und wärmt mich ein wenig.

Ich spiele schon seit einiger Zeit mit dem Gedanken wieder umzudrehen, da kommt mir Paris entgegen und ruft: „Du hast es fast geschafft“. Ungefähr eine ¾ h später komme ich endlich am Kraterrand an und setze mich erschöpft auf den Boden, die Sonne wärmt mich langsam wieder auf und ich stelle fest das es sich gelohnt hat. Die Sicht ist einfach atemberaubend, die Höhe auch, jede Bewegung strengt mich enorm an. Nach einer kleinen Pause machen wir uns nun auf die letzten 40 Höhenmeter zum Gipfel wo wir fast eine Stunde die Aussicht genießen, Fotos machen und uns erholen.

Der Rückweg stellte sich als noch anstrengender heraus, mit jedem Schritt fällt es mir schwerer meinen müden Körper zu bremsen und davon abzuhalten sich mit der Erdbeschleunigung ins Tal zu bewegen. Am Ende der Moräne  fühlte ich mich wie ein Elefant auf den Beinen von Bambi, bei jedem Schritt wackelten die Beine und schienen dem Gewicht meines Körpers kaum noch stand zu halten.

Zwölf Stunden nachdem wir an der Hütte losgelaufen waren, kam ich endlich wieder an dieser an und wieder kam mir Paris fröhlich entgegen und gratulierte mir zu meinem ersten 5000 er.

Ich muss euch glaube ich nicht sagen, dass ich diese Nacht sehr gut schlief. Ich träumte vom Citlaltepetl, dem Berg des Sterns.

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03 2012

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